Der mutige Schuster und die 2 Leichen
Es muss wohl weit vor 1900 gewesen sein, als sich eine tragische Geschichte in Krebshagen ereignete.
Um sie zu verstehen, muss man wissen, wie die Menschen hier lebten. Die meisten Dorfbewohner waren sehr arm. Sie arbeiteten überwiegend als Mägde oder Knechte in der Landwirtschaft. Auch gab es die Handwerker, wie Stellmacher, Seiler, Schuster, Weber usw., die mehr schlecht als recht ihr Leben fristeten.
Daneben gab es aber den aufstrebenden Bergbau, von dem noch immer die Bergehaufen in der Gemarkung Krebshagen zeugen. Die Bergknappen (Bergleute) hatten zwar eine schwere und gefährliche Arbeit unter Tage zu verrichten, verdienten aber gutes Geld. Sie verdienten sogar so gut, dass Mütter ihren Töchtern den Rat gaben, "…lieber einen toten Knappen als einen lebendigen Knecht, Weber oder Schuster…. zu heiraten…"
Nun zu unserer Geschichte!
Damals gab es eine Ausnahme: Ein junger Krebshäger Schuster, wohnhaft nahe der Mühle, verstand sein Handwerk so gut, dass auch Kunden aus den Nachbardörfern und sogar aus Stadthagen zu ihm kamen. Er machte wohl die besten Stiefel und hatte die härtesten Nägel zum Beschlagen der Ledersohlen. Wie man weiß, wurden zu der Zeit die Ledersohlen der Schuhe von unten mit großköpfigen Nägeln,
den Dickköppen, beschlagen, um die Sohle beim Laufen zu schonen. Man lief dann also auf den Nagelköpfen, das Leder berührte nur selten den Boden.
Der Schuster wurde durch seine gute Arbeit so bekannt, dass er selbst nachts bei Kerzenschein schusterte. Er hatte bald eine schöne Werkstatt und verdiente ebensoviel Geld wie die Knappen, wenn nicht mehr. Hinzu kam, dass er sehr hübsch, gesund und stark war. Er war ein Frauenschwarm. Die meisten Mädchen im Dorf hatten nur noch Augen für ihn. Ja, selbst die Mütter hätten wohl nichts gegen diesen Schuster als Schwiegersohn eingewandt.
Die Knappen kamen somit bei den meisten Mädchen erst an 2. Stelle.
Das wollten sich diese aber nicht gefallen lassen und sannen darauf, wie man den schönen und reichen Schuster blamieren könne. Lange fiel Ihnen nichts ein.
Doch dann kam es zu einem tragischen aber passenden Ereignis: Krischörn (Christian) Röhnbeck, einem gerade zugewanderten, alleinstehenden Knecht, gingen gleich am ersten Arbeitstage die Pferde durch. Er fiel so unglücklich zwischen Pferde und Wagen, dass der Wagen, schwer mit Korn beladen, ihn mit den großen, eisenbereiften Holzspeichenrädern überrollte. Der Knecht war sofort tot.
Nun war es so üblich, dass die Toten zu Hause drei Tage lang aufgebahrt wurden und dabei ein Angehöriger die Totenwache hielt. Nun fand man aber niemanden, der diese Aufgabe übernehmen wollte. Auch der Bauer lehnte ab, da der Knecht nicht einmal eine Nacht dort zugebracht hatte. Da witterten die Bergknappen ihre Chance. Es hieß nämlich, der schöne und reiche Schuster sei sehr ängstlich. So taten sich vier der Bergknappen zusammen und besuchten den Schuster. Sie baten ihn, die drei- tägige Totenwache zu übernehmen. Damit er keinen Verdienstausfall habe, könne man doch die Leiche in der Schusterwerkstatt aufbahren. Es mache ihm doch sicher nichts aus, hieß es, denn er schustere doch sowieso die halbe Nacht.
Für die Knappen wohl überraschend, sagte der Schuster zu. So bahrte man wie abgesprochen den Sarg in der Schusterei auf. Gleich in der ersten Nacht beobachteten die Bergleute den Schuster heimlich durch das Fenster und waren sehr enttäuscht. Er zeigte überhaupt keine Angst, schusterte und pfiff ein Liedchen dabei. Das wurmte die Knappen bodenlos. So kamen Sie auf eine weitere Idee.
Als am zweiten Tag, der Schuster Nachmittags das Haus verließ, um neues Material aus Stadthagen zu besorgen, schlichen sie in seine Werkstatt, hoben die Leiche aus dem Sarg und versteckten diese im Keller hinter alten Säcken. Dann wurde der Weg in Richtung Stadthagen beobachtet. Als sie den Schuster kommen sahen, legte sich der Anführer mit einem Totenhemd bekleidet, in den Sarg. Der Deckel wurde locker aufgelegt. Die anderen Knappen versteckten sich hinter dem Haus, um zu gegebener Zeit durch das Fenster die Szene zu beobachten.
Der Schuster zündete einige Kerzen an, setzte sich bei diesem spärlichen Lichtschein direkt neben den Sarg und fing an zu schustern und pfiff ein Lied dabei, wie am Tag zuvor.
Man erzählt, dass der Knappe im Sarg tatsächlich bis Mitternacht durchgehalten hat. Genau um null Uhr, als es von der Stadthäger Kirchturmuhr zwölf Schläge herauf schallt, schiebt der Knappe den Sargdeckel zur Seite, setzt sich in seinem weißen Totenhemd gerade auf und macht heulende Geräusche.
In diesem Moment nimmt der Schuster seinen Schusterhammer, den er gerade zufällig in der Hand hält, holt weit und kräftig aus und ruft, ja schreit so laut, dass es die Nachbarn hören:
"Toter, ich sage dir, Tote sollen tot bleiben !!", und schlägt dabei der "auferstandenen" "Leiche" mit voller Wucht vor die Stirn, dass es nur so kracht. Der Knappe fällt wie ein Stein in den Sarg zurück, er soll sofort tot gewesen sein.
Erzählt vor langer Zeit von Heinrich Hasse (1900-1997)
R. Lohrmann
Copyright 2003
Der freche Bauer und der Bettler
Um die Geschichte zu verstehen, muss man wissen, dass so um 1900 herum viele Bettler, Fahrendes Volk, Handwerksburschen auf der Walz, Wandergesellen usw. über die Dörfer zogen und bettelten. So klopfte es täglich, ja manchmal stündlich an der Tür. Die Gutherzigen wie die Frommen gaben dann regelmäßig. Es herrschte damals eben noch eine andere Mentalität, man half sich gegenseitig aus der Not, so gut es eben ging.
Nun zu der Geschichte:
Es gab aber zu der damaligen Zeit einen Bauern in Krebshagen, der ärgerte gerne Leute, wie Nachbarn und Bekannte. Aber auch die Schachtleute (Bergleute) die von der Arbeit kamen und dort vorbei gingen, wurden von ihm fast regelmäßig geärgert. Ständig hatte er etwas an anderen auszusetzen.
Eines Tages kam ein armer Mann an seine Tür und bettelte bei ihm um eine Hose, da die seine nahezu zerfallen war. Der Bauer sagte: "Ja, du kannst die Hose bekommen, wenn du dich hier einen Moment in die Kiste setzt." Der Mann staunte über das Ansinnen, frug aber nicht lange, sondern setzte sich in die Kiste, die auf der großen Diele stand. Kaum saß der Bettler dort drin, sprang der Bauer zur Wand, ergriff einen Strick, der von der Decke hing und zog damit die Kiste mitsamt den Bettler so hoch unter die Dielendecke, dass der mit gekrümmten Rücken dort oben hocken musste und nicht herunter konnte. Der Mann schimpfte, aber der Bauer verließ ohne ein Wort die Diele.
Erst am Abend kam der Bauer zurück, ließ den Bettler herunter und gab ihm eine Hose. Der Bettler schimpfte und wollte wissen, warum ihn der Bauer so lange dort oben festgehalten hat. Der Bauer antwortete: "Wir alle müssen unser täglich Brot hart erarbeiten. Du aber lebst auf Kosten anderer. Nun hast du dir wenigstens diese Hose verdient."
Erzählt von Wilhelmine Lohrmann (1896 – 1986)
1988 aufgeschrieben von N. Lohrmann
R. Lohrmann
Copyright 2003
Dat was dä Böxenwulf
Damals, als es noch keine Elektrizität gab und auf den Dörfern nachts die Straßen im totalen Dunkel lagen (Gaslaternen gab es allenfalls in der Stadt), gab es seltsame Wesen, die den Leuten in dunklen Nächten auflauerten. Diese Ungeheuer saßen nachts im Gebüsch oder standen hinter dicken Bäumen, die nahe am Weg standen und warteten, bis ein einzelner Fußgänger vorbeikamen. Dann sprangen sie diesen auf den Rücken, krallten sich am Hals fest und ließen sich tragen. Manchmal nur einige Meter, manchmal so weit, bis das arme Opfer zusammenbrach. Keiner wusste so genau, was das für Wesen waren. Opfer erzählten, dass die Wesen ein Fell haben, einen Wolfskopf, aber menschenähnliche Beine, mit denen sie sich um die Hüfte des Opfers schlangen. Deshalb hießen diese Wesen auf plattdeutsch "Böxenwulf" (Hosenwolf). Die meisten hatten Angst vor dem Böxenwulf. Manche sollen ziemlich schwer gewesen sein. Aus Angst haben sich die Opfer kaum gewehrt, verständlich, wenn sie die spitzen Krallen an ihrem Hals gespürt haben. Wenige Opfer haben das Wesen genauer gesehen, denn der Überfall passierte nur in ganz dunklen, mondlosen Nächten, wenn man kaum den Weg erkennen konnte.
Es muss damals wohl viele solcher Wesen gegeben haben, denn es gibt kaum eine Gegend im weiten Umkreis, wo diese Wesen nicht auftauchten. In Obernkirchen steht sogar ein Gedenkstein.
In Stadthagen hat sich im Bereich der Bahnhofstraße auch ein Böxenwulf herumgetrieben. Er sprang in dunklen Nächten junge Frauen an und ließ sich tragen. Da fassten sich ein Arzt und ein Gasthausbesitzer ein Herz und hielten einige Nächte Wache. Eines Nachts sahen sie den Böxenwulf bei Mühlenbergs Garten hinter einem Gebüsch hervorspringen. Er wollte gerade eine Frau von hinten anspringen. Die beiden Männer griffen sich das Wesen und schleppten es in das Gasthaus.
Dort haben sie dann dem Wesen die Kuhhaut ausgezogen. Es war ein Schneider, der aus Berlin stammte. Als am nächsten Tag der Vorfall dem Stadthäger Bürgermeister Hagemeier zu Ohren kam, wollte dieser den Schneider vernehmen. Doch der Bösewicht war noch in derselben Nacht abgereist.
Bei uns in Krebshagen gab es einen ähnlichen Vorfall, so um 1895. Es war ein Ungeheuer, das selbst vor jungen, starken Männern nicht zurückschreckte. Wenn Bergknappen (Bergleute) vom Schacht (z.B. vom Bremsschacht 7), Arbeiter von der nahen Glashütte oder Leute in dunkler, mondloser Nacht aus Stadthagen zurückkamen und allein unterwegs waren, wurden sie immer häufiger von dem Böxenwulf überfallen. Die Opfer waren sich manchmal nicht einig, ob sie seine scharfen Krallen oder ein Messer an ihrer Kehle gespürt hatten. Man vermutete das "Nest" des Böxenwulfes in einem Schacht irgendeines Bergehaufens in der Krebshäger Feldmark (zu "Bergehaufen" siehe auch "Galerie" und "Chronik").
Als der Böxenwulf erneut in Krebshagen eine junge Frau angesprungen hatte, fassten sich einige Knappen und Knechte ein Herz und versteckten sich nachts im Gebüsch um den Böxenwulf zu fangen. Und tatsächlich, schon in der zweiten oder dritten Nacht sahen sie eine Gestalt im Bärenfell. Sie stürzten sich auf ihn, fassten ihn und schlugen kräftig mit Knüppeln auf ihn. Er soll unmenschliche, heulende Laute von sich gegeben haben. Einige Knechte versuchten ihm das Fell herabzureißen, was aber nicht gelang. Bei dem Kampf wurden einige Krebshäger bös verletzt, tiefe Schnitt- und Kratzwunden trugen sie davon. Der Kampf in der Dunkelheit war erst zu ende, als das Wesen tot im Graben liegen blieb. Am nächsten Tag schauten die Männer nach. Gras und Erde waren blutig, aber das Wesen war auf rätselhafte Weise verschwunden. Es wurde kein Mensch vermisst, auch nicht in den Nachbargemeinden. Ein Bauer berichtete später, dass rätselhafte Pfade und Kratzspuren am Schachtloch auf einem Bergehaufen nun allmählich zuwucherten.
Seit der Zeit hat sich kein Böxenwulf mehr in Krebshagen sehen lassen…….
…….. Doch nach mehr als 100 Jahren, Anfang der 90er Jahre, kam es zu einem eigenartigen Vorfall in der Gemarkung Krebshagen:
Ein junges Pärchen aus Hannover fuhr spät abends mit ihrem Auto weit ins Feld hinein und parkten hinter der großen Bergehalde nahe der "Wolfskuhle" in einem Gebüsch. Sie wollten wohl ungestört sein. So gegen Mitternacht, als sie wieder los fahren wollten, hörten sie plötzlich eigenartige Geräusche. Im Scheinwerferlicht ihres Pkw´s tauchte plötzlich eine komische Gestalt auf, die zwar gebückt auf zwei Beinen ging aber sonst wie ein Wolf aussah. Das Wesen sprang auf die Motorhaube, lief über das Dach, sprang herab und riss heulend an den Türen. In letzter Sekunde konnte das Pärchen die Türen verschließen. Der Mann gab Vollgas. Das Wesen versuchte wohl noch das Fahrzeug festzuhalten, denn es wurde berichtet, dass im Lack dicht nebeneinander fünf tiefe, bis in das Blech eingedrungene Kratzer sich über die ganze Fahrzeuglänge zogen, ebenso, als wenn eine Krallenhand dieses verursacht hätte……….
R. Lohrmann
Copyright 2003
Sundermeier, nun musst
(Der Sundermeier in der folgenden Legende ist vermutlich kein Vorfahre der heute hier lebenden Personen mit Namen Sundermeier.)
Um die Geschichte zu verstehen, muss einiges vorweg geschickt werden: Früher wurden die
Verstorbenen erst einmal zu Hause aufgebahrt, denn es gab zumindest auf dem Land
keine Kapellen, Leichenhallen oder andere Möglichkeiten zur Aufbahrung. Vorgeschrieben waren 3
Tage. Oftmals wurde dann neben dem Sarg, der meist auf der „Großen Diele“ stand,
auch Totenwache gehalten. Waren die drei Tage um, fand die Bestattung von zu
Hause aus statt. Dann kamen die Sargträger und trugen den Sarg aus der Großen
Diele hinaus, durch das Dorf und manchmal viele Kilometer bis zum nächsten
Friedhof. Das war sehr anstrengend.
Deshalb
wurde, wenn eine Gemeinde finanziell etwas besser da stand, ein Totenwagen
angeschafft, der von Pferden gezogen werden musste. Manchmal schlossen sich auch
Bürger zu einer Totenwagengesellschaft zusammen, um so einen Wagen zu
finanzieren. Es gab Einspänner und Mehrspänner. Diese Wagen waren nicht billig:
Sie hatten vorne etwas kleinere, hinten große Speichenräder aus Holz. Die Räder
waren elegant- schmal, die Speichen filigran gehalten. Vier gedrechselte runde
Säulen an den vier Ecken der Ladefläche des Wagens, manchmal in sich gedreht,
hielten einen schmucken Baldachin über dem Sarg.
Schnitzereien am Wagen waren nicht selten. Der gesamte Totenwagen einschließlich
der Räder und des Kutschbockes waren in nachtschwarzer Farbe gehalten. Zu einer
Überführung stellte ein Bauer meist schwarze Pferde zur Verfügung, die
entsprechend des Anlasses mit einem schwarzen Federbusch auf dem Kopf und
besonderem schwarzen Geschirr ausgestattet wurden. Natürlich war auch der
Kutscher in schwarz und mit Zylinder bekleidet.
Nun zu der Geschichte:
So um 1900 lebte hier ein junger Bursche, der Sundermeier hieß.
Dieser war bei den anderen Burschen, Nachbarn und Bekannten nicht beliebt, denn
er war frech, unhöflich und zudem ein unmöglicher Angeber. Bei jeder Gelegenheit
gab er an, was er alles könne. Natürlich verlachte er auch ängstliche Leute und
spottete über sie. Er selbst brüstete sich, dass er niemals Angst hätte, komme
da was wolle.
Diese Angeberei missfiel auch seinen Kumpeln. Sie sannen
darauf, wie man ihm endlich einmal eine Lehre erteilen könne. Man meinte, es sei
wohl am besten, ihm eine solche Angst einzujagen, die er nie wieder im Leben
vergisst. Aber wie?
Einer der
Burschen hatte eine Idee, die Zustimmung fand. Und so geschah es
dann:
Die
Burschen bestritten plötzlich ganz offen Sundermeiers
Mut und unterstellten ihm sogar auch im Beisein anderer Schwäche und Feigheit.
Das konnte Sundermeier nicht ertragen und wurde
wütend. Die Burschen forderten daraufhin einen Beweis seines Mutes und schlugen
ihm gleich vor: Er solle seinen Mut doch beweisen, indem er eine Nacht lang in
dem Schuppen verbringt, in dem der Totenwagen steht. Sundermeier willigte ein. Spät abends gingen alle zum
Schuppen und öffneten ihn bei fahlem Kerzenschein. Sundermeier warf einen Sack Heu in die Ecke und ließ sich
dort neben dem Totenwagen nieder. Neben ihm brannte eine kleine Öllampe, ein
Krösel. Sie warf ihr dunkles,
fahles Licht kaum eine Elle weit. Die Burschen verließen nun den Schuppen,
schlossen die Tür und machten es sich in der Nähe unter einer großen Linde
bequem um abzuwarten.
Was Sundermeier nicht
wusste, es hatte sich ein weiterer Bursche im Totenwagen unter einem schwarzen
Tuch versteckt um auf einen passenden Moment zu warten. Der war gekommen, als
die Stadthäger Kirchturmuhr um Mitternacht zwölf schlug.
Da hob sich
plötzlich das schwarze Tuch an, und eine grauenhafte, tiefe Stimme sagte:
„Sundermeier, Sundermeier, hier aus dem Totenwagen spricht dein
Verderben! Sundermeier, nun musst du sterben !!“
Erst war Sundermeier starr vor Angst, dann sprang er hoch, stieß die
Schuppentür auf, dass es nur so krachte und lief so schnell, wie er noch nie
gelaufen war, die Straße hinab. Da seine Schuhsohlen von unten mit Eisen und Dickköppen
beschlagen waren, sprühten helle Funken in die Nacht. Die Burschen unter der
Linde sahen noch in weiter Ferne die Funken sprühen. Ein Anwohner berichtete
später, dass kurz nach Mitternacht so laute und schnelle Poltergeräusche von der
Straße herüber schallten, dass er annahm, ein durchgegangenes Pferd würde die Straße herablaufen. Es wird
berichtet, dass Sundermeier sich erst nach Wochen hat
wieder sehen lassen. Er soll wie ausgewechselt gewesen sein: Nett, freundlich
und kein bisschen angeberisch.
Erzählt von Frieda (Friedchen) Lohrmann (1920-1986)
R. Lohrmann
Copyright 2003
Der Schlachter "Purten tau" (= Pforte zu)
In Krebshagen und den umliegenden Dörfern wurden bis in die 1960 - er Jahre überall Hausschlachtungen durchgeführt. Es gab hier auf dem Lande neben den Bauernhöfen nicht ein einziges Haus, was keinen dazugehörigen großen Garten, ein Stück Ackerland (ein bis zwei Morgen, 1 Morgen = 2500 qm) und zumindest einen Schweinestall besaß. Aus Geldmangel, aber auch aus Tradition kaufte man sehr wenig in der Stadt und fast keine Lebensmittel, bis auf ganz wenige Ausnahmen, wie Zucker, Salz, Pfeffer usw. Man war eben Selbstversorger soweit das möglich war.
Also wurden um Fleisch und Wurst zu haben, in jedem Haus Schweine geschlachtet. Weil es noch keine Kühlgeräte gab, schlachtete man im Winter. Gerade in dieser Zeit hatten die Maurer keine Arbeit. Daher hatten die meisten Maurer als Nebenberuf "Hausschlachter". Aber auch junge Burschen lernten oftmals Hausschlachter bevor sie vom "Schacht" (Bergwerk) angenommen wurden, da sie dort frühestens mit 16 Jahren einfahren durften, aber schon mit 14 Jahren "aus der Schule kamen". Im Bergwerk gab es drei Schichten: Früh-, Nachmittags-, und Nachtschicht. Entsprechend wurden die Schweine entweder an einem Vor- oder Nachmittag geschlachtet und am nächsten Tag verwurstet.
Zu der Schlachtung benötigte man Hilfe von 3-4 Nachbarn, meist auch alles Bergleute. Nun gab es patente Schlachter, die konnten fix mit dem Schwein umgehen, aber es gab auch unbeholfene, weniger fixe. Bei so einem passierte es nun, dass sich das Schwein als es gerade aus dem Stall in die große Waschküche zur Schlachtung geführt wurde, losriss. Es tobte quiekend durch den Raum, stieß mit voller Wucht seinen Kopf zwischen die Sprossen einer Holzleiter, die lose in der Bodenluke stand, nahm die Leiter auf den Rücken und wurde nun erst recht wild.
Jetzt gab es kein Halten mehr. Es schrie wie am Spieß, rannte wildgeworden mit der Leiter im Kreis durch die Waschküche, die Leiter schleuderte nach links und rechts, traf alles was in der Waschküche stand, Tisch, Stuhl, Bottich, Brennetrog, Kratzglocken, Zinkwannen, Schnapsflasche, eben alles. Das meiste davon ging zu Bruch. Die scheppernden Zinkwannen und Zinkeimer brachten das Tier mit der Leiter auf dem Rücken zum Rasen. Schlachter, Besitzer, Nachbarn, versuchten sich in Sicherheit zu bringen. Sie erzählten später, es sei die Hölle gewesen. Dem vier-zentner Schwein mit der herumwirbelnden, stabilen Holzleiter hielt nicht einmal der stabile Schlachtetisch stand, es hat alles platt gemacht.
Irgendwie ist das Tier dann auf den Hof entwichen. Der war zum Glück mit einem Zaun versehen, aber die Pforte war offen.
Der Schlachter schrie wie am Spieß: "Purten tau !!!!, Purten tau !!!!!, rasch Purten tau !!!!!" (Pforte zu).
Am nächsten Tag wusste nicht nur die gesamte Nachbarschaft von dem Missgeschick, sondern das ganze Dorf und die Nachbardörfer auch. Aber auch das ganze Bergwerk wusste bald von der Geschichte.
Egal wo sich nun der Schlachter sehen ließ, schrien die Nachbarn, Dorfbewohner, seine Kumpel im Schacht:
"Purten tau !!" Bald hieß er nur noch "Purten Tau" und das über viele Jahre, bis zu seinem Tod.
Ein anderer Schlachter, den das Schwein ausgerissen war, soll laut gerufen haben: " Toiv aaß, wenn ek dej man erst hebbe, denn will ek dej woll kriejen" (Warte mal, wenn ich dich man erst habe, will ich dich wohl kriegen). Auch diesem Bergmann und Schlachter wurde sein Ausruf bei jeder Gelegenheit vorgehalten. Auch wenn etwas nicht klappen wollte, z.B. unter Tage, der Nagel nicht in den Stempel wollte oder die Kuh ließ sich nicht dirigieren usw. wurde lange Zeit dieser Ausspruch ausgestoßen: Warte wenn ich dich erst habe, werde ich dich schon kriegen!
Erzählt von Friedrich Becker 1892-1959, aufgeschrieben von M. Böse, Wendthagen
R. Lohrmann 2003
Copyright 2003